Freie Christen für den Christus der Bergpredigt

Wenn sich führende Politiker dem Papst unterordnen – Wir haben Angst um unsere gute Demokratie

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24.1.2010 sprach Andrea Nahles, damals Generalsekretärin und stellvertretende Vorsitzende der SPD, später [2019] kurzzeitig deren Vorsitzende, über ihre Politik. Die Journalisten Rainer Hank und Georg Meck fragten sie in diesem Zusammenhang auch nach der Bedeutung des Papstes.

Frage: Nehmen Sie den Papst ernst?
Andrea Nahles: Aber selbstverständlich. Er ist der Chef vom Ganzen.
Frage: Wir dachten, er sei nur der Stellvertreter Gottes und Sigmar Gabriel Ihr Chef.
Andrea Nahles: O weh, jetzt bringen Sie mich in Schwierigkeiten. Der Papst ist der „Chef“ der Weltkirche. Das ist etwas Besonderes.

Wir sind in großer Sorge, wenn sich führende Politiker demokratischer Parteien so lapidar dem Papst unterordnen und ihn als „Chef“ bezeichnet. Denn er ist der unumschränkte „Chef“ des letzten ausschließlich absolutistischen Herrschaftssystems in Europa: ihr oberster Gesetzgeber, oberster Richter und der Oberste der Verwaltung.
Wir als Bürger können nicht so ohne Weiteres über die Unterwürfigkeit von Politikern hinweg gehen, und wir haben Angst um unsere gute Demokratie.

Der Grund unserer Angst um die Demokratie

Kirche verlangt von allen Menschen Unterwerfung unter den Papst

Was lehrt die römisch-katholische Kirche, deren Anführer sich unzählige Politiker unterordnen, über den Papst? Wir informierten uns dazu in dem römisch-katholischen Standardwerk Josef Neuner-Heinrich Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, überarbeitet von Karl Rahner, 13.Auflage, Regensburg 1992. In diesem Werk ist der Lehrsatz Nr. 430 als „unfehlbare“ Wahrheit gekennzeichnet, der bis heute unverändert gilt, und er lautet wie folgt:
Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig. Das erklären, behaupten, bestimmen und verkünden Wir„.

 

Die Unterordnung aller katholischen Politiker unter den Vatikan

Andrea Nahles, damals Generalsekretärin und stellvertretende Vorsitzende der SPD, bezeichnet den Papst als den „Chef vom Ganzen“. Nach der Lehre der römisch-katholischen Kirche zählt sie zu den katholischen Laien im Unterschied zu den Priestern, wie z. B. auch der damalige CSU-Minister Horst Seehofer oder die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und ein großer Teil der heutigen [2024] deutschen Politiker.

Was aber zählt nun zu den Aufgaben der Politiker, die als katholische Laien ein politisches Amt ausüben?

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Lesen Sie dazu die heute gültigen Bestimmungen des römisch-katholischen Kirchenrechts, zitiert nach Codex Iuris Canonici, Codex des Kanonischen Rechts, 3. Auflage, auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus [autorisiert durch Papst Johannes Paul II.], Kevelaer 1989.

Can. 210 — Alle Gläubigen müssen je nach ihrer eigenen Stellung ihre Kräfte einsetzen, ein heiliges Leben zu führen sowie das Wachstum der Kirche und ihre ständige Heiligung zu fördern

Can. 212 § 1 — Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewusstsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen

Can. 225 § 1 — Da die Laien wie alle Gläubigen zum Apostolat von Gott durch die Taufe und die Firmung bestimmt sind, haben sie die allgemeine Pflicht und das Recht, sei es als einzelne oder in Vereinigungen, mitzuhelfen, dass die göttliche Heilsbotschaft von allen Menschen überall auf der Welt erkannt und angenommen wird

§ 2 — Sie haben auch die besondere Pflicht, und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen

PS: Und wer entscheidet, wie die „Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten“ sind? Nach Can. 212 § 1 einzig die „Leiter der Kirche“, denen die katholischen Politiker gehorchen müssen. Dies wird auch noch einmal im nachfolgenden Canon 227 bekräftigt.

Can. 227 — Die Laien haben das Recht, dass ihnen in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens jene Freiheit zuerkannt wird, die allen Bürgern zukommt; beim Gebrauch dieser Freiheit haben sie jedoch dafür zu sorgen, dass ihre Tätigkeiten vom Geist des Evangeliums [wie es die Kirchenoberen definieren] erfüllt sind, und sich nach der vom Lehramt der Kirche vorgelegten Lehre zu richten

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Auch die übrigen verbindlichen römisch-katholischen Lehrschriften unterstreichen diese Pflichten der katholischen Politiker. So z. B. der Katechismus der Katholischen Kirche, 1997, Liberia Editrice Vaticana, Deutsche Ausgabe, München 2005. Dort heißt es darüber hinaus z. B.:

Lehrsatz Nr. 899 — Die Initiative der christlichen Laien ist besonders notwendig, wenn es darum geht, Mittel und Wege zu finden, um die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten mit den Forderungen des christlichen Glaubens und Lebens [PS: womit die Forderungen des Papstes, des Vatikans und der Bischöfe gemeint sind] zu durchdringen

Lehrsatz Nr. 906 — Die gläubigen Laien, die dazu fähig sind und sich dafür ausbilden lassen, können auch … an der Gestaltung der Medien mitwirken

Lehrsatz Nr. 2442 — Es ist nicht Sache der Hirten der Kirche, in die politischen Strukturen und die Organisation des Gesellschaftslebens direkt einzugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien

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Das umfangreichste Lehrbuch der römische-katholischen Kirche ist: Heinrich Denzinger, Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 42. Auflage, Freiburg-Basel-Wien 2009. Während das Standardwerk von Neuner-Roos (siehe oben) nur in deutscher Sprache abgefasst ist, sind dort auch alle Lehrtexte in lateinischer Sprache, dem Urtext aller kirchlichen Gesetze und Dogmen, veröffentlicht. Darin werden Andrea Nahles und die anderen Politiker z. B. ausdrücklich auch auf die Instruktion der Glaubenskongregation „Libertas conscientia“ von Papst Johannes Paul II. vom 22.3.1986 verwiesen, in welcher der Papst verbindlich für alle Katholiken festlegte:

Lehrsatz Nr. 4759 — Ebenso ist die Kirche ihrer Sendung treu, … wenn sie sich Versuchen widersetzt, eine Ordnung des gesellschaftlichen Lebens zu errichten, von der Gott [PS: wie ihn der Papst definiert] entfernt ist, ob dies aus bewusstem Widerspruch oder aus sträflicher Nachlässigkeit geschieht, und wenn sie schließlich ihr Urteil über politische Bewegungen fällt, die sagen, sie kämpften gegen Elend und Unterdrückung, aber von Theorien und Handlungsanweisungen durchsetzt sind, die dem Evangelium [PS: wie es der Papst interpretiert] widersprechen …

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In der Dogmensammlung von Denzinger/Hünermann wird auch die für die Kirche wegweisende Bulle Unam Sanctam von Papst Bonifaz VIII. von 1302 zitiert, in der auch die angebliche Heilsnotwendigkeit einer Unterwerfung aller Menschen unter den Papst dogmatisiert wurde (siehe oben). Auch wenn die Priestermänner deren Inhalte heute vorsichtiger formulieren, so zählt Unam Sanctam nach Neuner-Roos doch bis heute zum „unfehlbaren“ Glaubensgut der Kirche. Lesen Sie, was die Katholiken demnach ebenfalls glauben müssen:

Lehrsatz Nr. 873 — Durch die Aussagen der Evangelien werden wir belehrt, dass in dieser ihrer [der Kirche] Gewalt zwei Schwerter sind, nämlich das geistliche und das zeitliche … Beide sind also in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle. Jedoch ist dieses   f ü r   die Kirche, jenes aber   v o n   der Kirche zu handhaben. Jenes in der Hand des Priesters, dieses in der Hand der Könige und Soldaten, aber auf die Zustimmung und Duldung des Priesters hin. Es gehört sich aber, dass ein Schwert unter dem anderen ist und die zeitliche Autorität sich der geistlichen Gewalt unterwirft … Denn wie die Wahrheit bezeugt, muss die geistliche Gewalt die irdische Gewalt einsetzen und richten, wenn sie nicht gut war …

Lehrsatz Nr. 874 — Diese Autorität [der Kirche] ist aber, auch wenn sie einem Menschen verliehen wurde und durch einen Menschen ausgeübt wird, keine menschliche, sondern vielmehr eine göttliche Gewalt, die Petrus aus göttlichem Munde verliehen und ihm und seinen Nachfolgern [PS: als die sich die Päpste fälschlicherweise betrachten] in Christus selbst, den er als Fels bekannt hat, bestätigt wurde, als der Herr zu Petrus selbst sagte: „Alles, was du gebunden hast“ usw. [Was so überhaupt nicht stimmt: Lesen Sie dazu: Christus, der Fels – doch ohne Papst und Kirche] Wer immer sich also dieser von Gott so angeordneten Gewalt „widersetzt, widersetzt sich der Anordnung Gottes“ (Röm. 13, 2).

Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Wenn man sich das alles so bewusst macht, dann ist eines klar: Die katholischen Laien müssen ihrer Kirche gehorchen, auch in ihrem politischen Amt. In manchen Fragen dürften sie sogar weisungsgebunden sein. Manches, was in der deutschen Politik geschieht, ist wohl nur auf diese Weise zu erklären.